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„Ich bin Architekt, und kein Künstler“




Mein Gegenüber versucht seine Enttäuschung zu verbergen. Meine Aussage provozierte ihn. Unser Gespräch riss auf unangenehme Art ab. In seinem Blick fand ich Unverständnis. Oder sah er mich geringschätzig an? Wie konnte ein Architekt so etwas sagen? Offenbar verkannte ich meine Profession. Zumindest in seinen Augen.


Mit der Definition des Architekten als Künstler hab ich mich schon immer schwer getan. Ich erlebe meine Arbeitsweise eher technisch, konzeptuell, wissenschaftlich, strategisch, kreativ – aber künstlerisch, nein.


Eine Sprache zu finden für das, was man tagtäglich tut, ist befreiend. Mir wurde erst nach und nach klar, wie mächtig und bedeutend Wörter, Begriffe für mein eigenes Handeln sind. Und wie befreiend ihre Reflexion inklusive der Abkehr von Definitionen, die mir nicht entsprechen.


Ich hätte das auch in Ludwig Wittgensteins Tractus Logico - Philosophicus nachlesen können: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“. Die Worte, die wir wählen, prägen unsere Realität. Sie entscheiden darüber, welche Teile der Welt wir erfassen. Der Umkehrschluss und eine pragmatische Strategie der Veränderung: die Wörter ändern. So einfach? Hmmm.


ein Architekturmodell mit einem Zubau aus Seife als Konzept
Projekt FÖEM / Seifenmanufaktur Neururer, ARGE QNA + radekhala architekten

Von außen gesehen, können Arbeiten von Künstler*innen und Nicht-Künstler*innen ähnlich erscheinen. Objekte, Skulpturen, Gebäude definieren Räume, stimulieren Resonanz im Erleben ihrer Betrachter und Nutzer. Sie können Geborgenheit und Sicherheit vermitteln – oder als bedrückend empfunden werden. Diese Wirkungen sind zugleich immanent und subjektiv. Im Erleben von Kunstwerken ebenso wie im Erleben des gebauten Umfelds, also von Architektur. Ebenso deutlich ist Architektur – wie Kunst – nie losgelöst von gesellschaftlichen und politischen Kontexten zu sehen. Nutzer und Passanten sind dem öffentlichen Raum „ausgesetzt“, müssen ihn erleben, sich mit ihm in Verbindung und sich mit ihm auseinandersetzen.


So gesehen, kann Architektur der Kunst zugerechnet werden. Und trotzdem. Architektur-Produktion hat immer einen Auftraggeber, ist mit einer charakteristischen Zweckmäßigkeit verknüpft. Ein Auftrag wiederum ist an Anweisungen gebunden: Funktion, Raumprogramm, Budgets. Auf diese Anforderung gilt es zu reagieren. Sehr konkret, im Rahmen einer geschäftlichen Beziehung, frei von der inneren Okkupation, aus der eine Künstlerin/ein Künstler kreiert.


Daraus ergeben sich zwei Dimensionen von Architektur. Stellt man sie einander gegenüber, entstehen zwei Pole: „nur Kunst“ und „nur Zweckbau“. – Und aus diesen beiden Begrifflichkeiten entstand eine Enge, von der ich mich erst lösen musste. Denn in keinem der beiden fand ich mich wieder.


Doch er fand sich, der andere Zugang. Einer, der die Dualität der technischen und der emotionalen Seite (– und damit Verantwortung) meiner Profession miteinander verbindet. Sprachlich verbindet: indem man Architektur mit Baukunst übersetzt. BAU und KUNST. Beide Begriffe repräsentieren für mich sehr spezielle Qualitäten. Keine von beiden möchte ich missen.


Nach inzwischen zwei Jahrzehnten in meinem Beruf, erst als Mitarbeiter namhafter Büros namhafter Architekten Österreichs, Deutschlands, Hollands, leite ich heute mein eigenes Städtebau- und Architekturbüro, darf mich über Einladungen von Universitäten und Titel wie „Gastprofessor“ freuen, unterrichten, Vorträge halten. Die Dualität meiner Profession habe ich, mit Worten spielend, inzwischen neben dem Begriff Baukunst auch in einen Satz zusammengefasst: „Als Künstler präsentieren wir der Welt Fragen, als Nicht-Künstler möchten wir ihr Antworten bieten“.


Diese persönliche „Berufsphilosophie“ spiegelt sich auch im Namen meines Büros: QNA. – Nicht, dass irgendjemand die Abkürzung entschlüsseln könnte. Aber mit QNA als Questions and Answers kann ich mich gut identifizieren.


Paul Burgstaller


Foto / Portrait: www.zanella-kux.com



2021 zum ersten Mal publiziert in "PAULINER FORUM" Ausgabe 74, März 2021 Herausgeber und Verleger: Paulinerverein, Paulinumweg 1, 6130 Schwaz


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