„Die Begegnungszone erfasst den innerstädtischen Raum als öffentlichen Raum, der gemeinsam mit den BürgerInnen so gestaltet werden soll, um BürgerInnen die Möglichkeit zu geben, die Straße als ihren eigenen Lebensraum neu entdecken und beleben zu können. Je mehr soziales Leben unmittelbar im öffentlichen Raum wahrnehmbar ist, desto langsamer und zurückhaltender zeigt sich das Verkehrsgeschehen. Ausgehend von den sozialen Möglichkeiten vor Ort wird daher zunächst ein soziales Leitbild entwickelt, das anschließend im Dialog mit den BürgerInnen in einen räumlichen Entwurf übertragen wird. Erst dann erfolgt die räumliche und funktionale Integration der Verkehrserfordernisse. Durch die aktive Beteiligung der BürgerInnen am Planungsprozess entsteht eine hohe Akzeptanz des Projekts, die sich später durch die reale Belebung des Raumes ausdrückt.
Beim Pilotprojekt in Gleinstätten hat die FGM (Forschungsgesellschaft Mobilität) die partizipative Planungskultur sehr konsequent verfolgt. In einem großen Spannungsbogen hat die FGM gemeinsam mit allen interessierten BürgerInnen ein Leitbild für das neue Leben entwickelt, aus dem sich dann zunächst der räumliche Entwurf und später in der Zusammenarbeit mit Vincenz Saurugger vom Büro Zis+P ein schlüssiges Verkehrskonzept entwickelte. Die deutliche Geschwindigkeitsreduktion wurde nicht durch verkehrstechnische Verordnungen, sondern durch die Neugestaltung und die soziale Belebung des Raumes erreicht.“
Quelle: Zitat Thomas Pilz, Christoph Schwarz, FGM
„Aus verkehrstechnischer Sicht ist die v85 (Die Geschwindigkeit, die von 85 % der Verkehrsteilnehmenden eingehalten wird) zu vermindern. Dies wird einerseits durch die Verschmälerung der Fahrbahn der B74 und durch bauliche sowie farbliche Umgestaltung der Fahrbahn erfolgen. Derzeit beträgt die v85 63 km/h auf Straßenkilometer (Strkm.) 19,1. Dieser Strkm. befindet sich kurz vor dem ersten Platzbereich bei der Raiffeisenbank Gleinstätten in der Busbucht in Richtung stadtauswärts und hat, obwohl er sich im Ortsgebiet befindet, noch Landesstraßencharakter.
Die Fahrbahnbreite im Bestand beträgt 7,6 m auf Strkm. 19,1. In den Platzbereichen erfolgt eine Anhebung der Fahrbahn um 3 cm mit der farblichen Änderung durch Pflastersteine. Um eine einheitliche Oberflächengestaltung der Platzbereiche (Fahrfläche und Seitenbereiche), die sich von der Asphaltfahrbahn deutlich unterscheidet, erzielen zu können, wurde die Gestaltung mit gelben Pflasterflächen gewählt. Mit den Pflastersteinen ist eine flexible Anpassung an die Seitenräume möglich.
Die Fahrbahn zwischen den Platzbereichen wird auf 5,5 m Breite eingeschränkt, was den Begegnungsfall Lkw-Pkw bei verminderter Geschwindigkeit zulässt (Standard für Landestraßen). Dazu kommt beiderseits ein Rigol mit einer Breite von je 0,5 m, was zu einer benutzbaren Breite von 6,5 m führt (ausreichend für die Begegnung Lkw-Lkw oder Bus). Die seitliche Begrenzung der Fahrbahn plus Rigol zwischen den Plätzen erfolgt mit einer 3 cm hohen Kante. Dies erzeugt die Unstetigkeit im Straßenverlauf, die bremsend auf den Verkehr wirkt. Der dreimalige Übergang von Straße auf Platz bricht die Kontinuität (Geschwindigkeitsfluss) der Straße und fordert die Verkehrsteilnehmenden auf, sich in den Platzbereichen neu zu orientieren und sich so auf die aktuellen Gegebenheiten einzustellen. Außerdem bremst die optische Verengung die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit.
Die erste Evaluierung sollte innerhalb von drei Monaten erfolgen, um mögliche Schwachstellen umgehend nachzubessern. Danach scheint eine weitere nach einem Jahr sinnvoll. Der zusammenhängende Charakter des im Sinne der Begegnungszone verkehrsberuhigt gestalteten Straßenraumes ist über die gesamte Projektlänge durch die einheitliche Gestaltung der Platzflächen und der Gehwegbereiche mit farbigen Betonsteinen gewährleistet. Dadurch entsteht ein einheitliches Gesamtbild des umgestalteten Straßenbereiches, das insgesamt zu einer im Ortsbereich verträglichen Geschwindigkeit beiträgt.“
Quelle: Forschungsgesellschaft Mobilität (FGM) (2010): Shared Space Steiermark. Werkstattberichte Gleinstätten, Land Steiermark Verkehrsressort, Graz (gekürzt).
Bilder: Forschungsgesellschaft Mobilität (FGM), Graz (2010): Shared Space Steiermark. Werkstattberichte Gleinstätten, Land Steiermark.
2012 zum ersten Mal publiziert von bad architects group (Ursula Faix und Paul Burgstaller) in: SHARED-SPACE-KONZEPTE in Österreich, der Schweiz und Deutschland, herausgegeben vom Salzburger Institut für Raumordnung & Wohnen (SIR)
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